László Tengelyi: Leben und Werk

 
Title (other)Ласло Тенгели: жизнь и творчество
PIIS271326680013219-0-1
DOI10.18254/S271326680013219-0
Publication type Article
Status Published
Authors
Affiliation: University of Wuppertal
Address: Germany
Journal nameStudies in Transcendental Philosophy
EditionVolume 1 Issue 2-3
Abstract

This introduction provides a brief overview of L. Tengeli's life path and philosophy. The author identifies three main questions of his philosophy, which are the question of life-history, the question of experience and the question of the phenomenological metaphysics. According to the central thesis of the introduction, Tengeli is the characteristic representative of modern phenomenology, because in his philosophy we find all those distinctive features which are peculiar to phenomenology in the 21st century: problem of transcendentalism, problem of phenomenological metaphysics, and productive address to history of philosophy.

Abstract (other)Во введении к данному номеру представлен краткий обзор жизненного пути и философии Л. Тенгели. Автор выделяет три основных для его философии вопроса, которыми являются вопрос жизненной истории, вопрос опыта, а также вопрос феноменологической метафизики, и пытается осмыслить их взаимосвязь. Основной тезис автора состоит в том, что Тенгели является характерным представителем современной феноменологии, то есть, что в его философии мы находим все те отличительные черты, которые свойственны феноменологии в 21-ом веке: проблему трансцендентализма, проблему феноменологической метафизики и продуктивное обращение к истории философии. Ключевые слова Феноменология, феноменологическая метафизика, трансцендентализм, Тенгели
KeywordsPhänomenologie, phänomenologische Metaphysik, Transzendentalismus, Tengelyi
Received30.12.2020
Publication date30.12.2020
Number of characters9544
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1 László Tengelyi ist einer der bedeutendsten Phänomenologen des Anfangs des 21. Jahrhunderts. Sein Werdegang ist stellvertretend für die Richtung, welche die Phänomenologie nach der dritten Phänomenologen-Generation – also 1.) nach der Generation der „Gründerväter“, 2.) nach jener der direkten Schüler bzw. der ersten französischen Phänomenologen und schließlich 3.) nach jener, die von Tengelyi selbst als die der „neuen Phänomenologen in Frankreich“ bezeichnet wurde – eingeschlagen hat. Um das näher zu erläutern, soll zunächst seine intellektuelle Biographie vorgestellt werden.
2 Tengelyi wurde 1954 in Ungarn geboren. Dort hat er studiert und auch – bis hin zu seiner 1999 erlangten Professur an der Eötvös Loránd Universität (Budapest) – seine akademische Karriere begonnen. In Budapest konnte er bereits ein starkes universitäres Wirken entfalten, aus dem mehrere bedeutsame Schüler erwuchsen. Seine philosophischen Anfänge waren, nachdem er zunächst ein komplettes Latinistik-Studium, dann ein Philosophie-Studium und schließlich auch noch ein komplettes Gräzistik-Studium absolviert hatte, philosophiehistorisch geprägt. Kant, dem er seine ersten beiden Buchpublikationen gewidmet hatte, stand dabei im Mittelpunkt seiner Interessen. Besonders dessen praktische Philosophie hatte es ihm angetan. Anfang der 1990er Jahre erlebte Tengelyi dann eine Art „phänomenologische Wende“, die ihn für theoretische Fragen, wie sie bei Husserl und Heidegger zum Tragen kamen, öffnete. Zu diesem Zeitpunkt erhielt er Einladungen ins Ausland (sei es im Rahmen von Forschungsaufenthalten oder sei es als Gastprofessor), die ihn u.a. nach Leuven, Paris und Wuppertal geführt hatten und anlässlich derer er seine phänomenologischen Forschungen vertiefen konnte. 2001 erhielt er einen Ruf an die Bergische Universität Wuppertal (als Nachfolger Klaus Helds), an der er bis zu seinem (überraschenden und frühen) Tod kurz nach seinem 60. Geburtstag auch in Deutschland anderthalb Jahrzehnte lang eine breite phänomenologische Wirkung ausübte.
3 Seine eigenständigen phänomenologischen Forschungen betrafen drei unterschiedliche Gebiete, denen er originelle Arbeiten widmete, in welchen seine phänomenologischen Interessen zwar unterschiedlich zum Ausdruck kamen, dabei sich aber doch immer in ihrer Einheitlichkeit und Kohärenz auswiesen. Diese drei Gebiete sind die Frage nach der „Lebensgeschichte“ sowie ihrer „narrativen Identität“; der Begriff der (phänomenologischen) „Erfahrung“; und schließlich das Problem der „phänomenologischen Metaphysik“.
4 Aus den Forschungen zum ersten Gebiet ging sein Buch Der Zwitterbegriff Lebensgeschichte hervor, das in modifizierten Fassungen auch auf Ungarisch, Englisch und Französisch erschien. Der Grundgedanke dieses Werks besteht darin, dass die „Lebensgeschichte“ der menschlichen Existenz in einer eigentümlichen Spannung begriffen ist. Ihrer „Identität“, die sich „narrativ“ entfaltet, steht eine „wilde Region des Sinns“ gegenüber, die sich nicht in den Rahmen dieser Identität einschreiben lässt, sondern sich einer narrativen Erfassung vielmehr entzieht. „Bewusstsein“ und „Unbewusstes“ werden hier auf die Ebene des Sinnes erhoben (welcher sich narrativ oder eben in der Erfahrung der „Wildheit“ erschließt). Analysen zur Zeitlichkeit, Alterität und Ethik (womit Tengelyi an seine frühesten Arbeiten anschließt) runden dieses erste bedeutende systematische Werk ab.
5 Der „phänomenologischen Erfahrung“ ist zwar keine eigens ausgearbeitete Monographie gewidmet, dafür aber mehrere eigenständige Artikelsammlungen, die ebenfalls in verschiedenen Sprachen erschienen sind. Dabei entwickelte Tengelyi im Anschluss an Marc Richir eine Phänomenologie der Sprache und vertiefte seine Analysen zur Selbstheit und zur Andersheit.
6 Tengelyis systematisches Hauptwerk ist zweifelsohne sein zu Lebzeiten abgeschlossenes und einige Tage nach seinem Tod erschienenes Buch Welt und Unendlichkeit. Zum Problem phänomenologischer Metaphysik, in dem die Überlegungen zum dritten angesprochenen Forschungsfeld kulminierten. Das sehr lesenswerte, zusammen mit Hans-Dieter Gondek 2011 publizierte Buch Neue Phänomenologie in Frankreich stellte für letzteres bereits eine historiographische These bereit: Die Gemeinsamkeit der Hauptvertreter der dritten Phänomenologen-Generation (in erster Linie Marc Richir, Jean-Luc Marion und Michel Henry) bestünde in einer erneuten Betrachtung des Verhältnisses von Phänomenologie und Metaphysik. Das Hauptwerk von 2014 geht nun noch einen Schritt weiter und überlegt, welchen genuinen Beitrag die Phänomenologie zur ganz allgemein wiederauflebenden Metaphysik-Debatte in der Philosophie weltweit zu leisten vermag. Im Gegensatz zu verschiedenen Ansätzen in Frankreich vertritt Tengelyi dabei eine Metaphysik-Konzeption, die jenseits der (von Heidegger herausgestellten) Auffassung der Metaphysik als einer „Onto-Theo-Logie“ zu verorten wäre. In Anlehnung an Husserl entwickelt er dabei den Begriff einer „Metaphysik der Urtatsachen“, die, was die spezifische Herangehensweise betrifft, durch einen „methodologischen Transzendentalismus“ gestützt wird. Diese Urtatsachen sind: „Ich“, „Welt“, „Intersubjektivität“ und „Geschichte“ (bzw. „Geschichtsteleologie“). Dabei geht es einerseits um eine Umwandlung der „Metaphysica generalis“, sofern noch eine fünfte Urtatsache, nämlich die „Urtatsache des Erscheinens“ selbst, berücksichtigt und dadurch der phänomenologische Einschlag der Metaphysik deutlich wird. Andererseits setzen sich jene Urtatsachen an die Stelle von Ich, Welt und Gott in der klassischen „Metaphysica specialis“. Nach Fink und Richir wird also auch bei Tengelyi das „Erscheinen als Erscheinen“ zu einem Grundbegriff der Phänomenologie und dementsprechend der phänomenologischen Metaphysik.

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